Förderung bei mathematischen Lernschwierigkeiten

Vor dem Hintergrund einschlägiger Prävalenz- und Schulleistungsstudien ist davon auszugehen, dass etwa jedes fünfte Kind beim Mathematiklernen besondere Unterstützung benötigt (zusammenfassend Sikora & Voß, 2018). Allerdings scheint die aktuelle Förderpraxis diesem Anspruch nicht immer gerecht zu werden.

Eine Erklärung dafür ist, dass sich professionell entwickelte Fördermaterialien nur auf einzelne Inhaltsbereiche (z.B. zur Förderung des Einmaleins oder zur Ablösung vom zählenden Rechnen) oder Klassenstufen beziehen und insbesondere die Inhalte des Anfangsunterrichts abdecken. Beim genaueren Blick auf die Qualität der Materialien stellt man fest, dass diese zwar meist didaktisch überzeugend konzipiert wurden, in den seltensten Fällen sind sie aber wissenschaftlich evaluiert worden. Für kaum ein Material ist somit nachgewiesen, dass Kinder damit tatsächlich Lernfortschritte erzielen. Einen Überblick über aktuell verfügbare Fördermaterialien liefern Schneider, Küspert und Krajewski (2016).

Aus dieser Gemengelage heraus wird ein Förderkonzept, das sogenannte „Mathe-Navi“ entwickelt, welches den Anspruch hat,

  1. ein durchgängiges Förderkonzept für die gesamte Grundschulzeit zu sein, das
  2. kostenlos allen Lehrkräften zugänglich gemacht und
  3. dessen Wirksamkeit in kontrollierten Evaluationsstudien wissenschaftlich nachgewiesen wird.

    Das Navi-Konzept ist aktuell für die Klassenstufen 1 und 2 vollständig ausgearbeitet, die Diagnose- und Förderhinweise und -materialien der Klassenstufen 3 und 4 werden zukünftig ergänzt. Die Effekte einer Förderung nach dem Mathe-Navi können vor dem Hintergrund von 34 bisher durchgeführten kontrollierten Einzelfallstudien eingeschätzt werden, welche metaanalytisch zusammengefasst wurden. Aus der nebenstehenden Abbildung geht hervor, dass die meisten Kinder deutliche Lernfortschritte durch die Förderung nach dem Konzept des Mathe-Navis erzielten, bei zwei Kindern schlug sie jedoch nicht an. Die kombinierte, gewichtete Effektstärke beträgt Tau-U = .71, was die Wirksamkeit des Navi-Konzepts unterstreicht (Parker, Vannest & Davis, 2011; Parker, Vannest, Davis & Sauber, 2011; Rakap, 2015; Tarlow, 2017).

    Das Mathe-Navi wird online unter www.lernlinie.de/to/mathenavi zur Verfügung gestellt. Dort sind auch weiterführende Informationen zur Methodik der Evaluation der Wirksamkeit des Konzeptes zu finden.

    Literatur
    Häsel-Weide, U., Nührenbörger, M., Moser Opitz,. E. & Wittich, C. (2019). Ablösung vom zählenden Rechnen. Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen (5. Aufl.). Seelze: Friedrich.
    Parker, R. I, Vannest, K. J, & Davis, J. L. (2011). Effect size in single-case research: a review of nine nonoverlap techniques. Behavior Modification, 35, 303-322.
    Parker, R. I, Vannest, K. J, Davis, J. L, & Sauber, S. B. (2011). Combining nonoverlap and trend for singlecase research: tau-u. Behavior Therapy, 42, 284-299.
    Rakap, S. (2015). Effect sizes as result interpretation aids in sigle-subject experimental research: description and application of four nonoverlap methods. British Journal of Special Education, 42 (1), 11-33.
    Schneider, W., Küspert, P. & Krajewski, K. (2016). Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen (2. Aufl.). Paderborn: Schöningh.
    Sikora, S. & Voß, S. (2018). Mathematikunterricht in der inklusiven Grundschule. Stuttgart: Kohlhammer.
    Tarlow, K. R. (2017). An improved rank correlation effect size statistic for single-case designs: Baseline Corrected Tau. Behavior Modification, 41 (4), 427-467.

    Ansprechpartner

    Dr. Simon Sikora

    Dr. Simon Sikora